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Rückführung archäologischer Funde nach Bremen - Jan Geidner & Dieter Bischop
Kunst im Wandel: Eine Drehscheibenterrine aus Mahndorf - Mara Oldag
Ein SPD Unterschlupf in Bremen Neustadt? Funde aus dem 2. Weltkrieg – Paul Frey
Rochen im Horst – Hans Christian Küchelmann

Rückführung archäologischer Funde nach Bremen: Steinaxt, Lanzenspitze und Skalpellgriff

28.03.2025

Die Landesarchäologie Bremen konnte kürzlich drei bedeutende archäologische Objekte aus Bremen in ihren Bestand aufnehmen. Eine neolithische Steinaxt, eine bronzezeitliche Lanzenspitze und ein römischer Skalpellgriff wurden im Rahmen einer Rückführung aus privater Hand übergeben.

Die Objekte stammen aus unterschiedlichen Epochen und spiegeln die lange Besiedlungsgeschichte des Bremer Raums wider. Eine als Baggerfund aus dem Jahr 1955 in Bremen angesprochene 9,8 cm lange und 5,2 cm breite durchlochte Steinaxt aus Granit lässt sich der Jungsteinzeit zuordnen und zeugt von den frühen Ackerbaukulturen im heutigen Norddeutschland. Die Breitseiten der Axt sind flach und das nahezu zylindrische Schaftloch hat einen Durchmesser von circa 2,5 cm. Bearbeitungs- und Schleifspuren lassen auf eine lange Nutzung des Objektes schließen.

Die „Tüllenlanzenspitze“ gehört mit ihrem 34,5 cm langen und bis zu 6,7 cm breiten flammenförmigen Blatt in die Periode IV der jüngeren nordischen Bronzezeit (1100 bis 900 v. Chr.). Der innere Tüllendurchmesser der Lanzenspitze beträgt 2,2 cm. Sie verweist auf die kriegerischen Auseinandersetzungen oder Jagdtechniken dieser Epoche. Die Fundstelle der Lanzenspitze lässt sich heute nur noch allgemein der Region in Bremen-Mahndorf zuordnen.

Ebenfalls aus Bremen-Mahndorf stammend, gilt der römische Skalpellgriff als ein sehr seltenes Fundstück in Norddeutschland. Er belegt die Kontakte Bremens zur römischen Welt im 2./3. Jahrhundert, möglicherweise durch Handel oder Migration. Mit 11,7 cm Länge ist ein Teil des achtkantigen Griffs und ein vollständiger Spatel erhalten. Die erhaltene Grifflänge liegt noch bei 4,7 cm und die Dicke bei 0,5 cm. Lediglich die ehemals circa 2 cm lange Skalpellklinge und ein Teil des Griffes sind abgebrochen. Auch dieses Fundstück ist keiner genauen Lokalisiation zuzuordnen, möglicherweise stammt das Objekt aber aus dem gemischt-belegten Gräberfeld auf dem ehemaligen Fuchsberg (Fundstelle 1/Mahndorf).
Die Rückgabe erfolgte dank der Kooperation mit der Familie des mittlerweile seit 2018 verstorbenen privaten Sammlers Johann Thölken (Geb. 1936), der die Objekte über Jahrzehnte hinweg in seinem „Spiecker“ in Tarmstedt, Ldkr. Rotenburg/Wümme in Niedersachsen aufbewahrt hatte und der Kreisarchäologie Rotenburg/Wümme. Letztere konnte den vollständigen archäologischen Sammlungsbestand im März 2023 in die Kreisarchäologie überführen und nach erfolgter Inventarisierung eine Rückführung der Bremer Objekte ermöglichen. Diese erfolgreiche Rückführung unterstreicht die Bedeutung des Kulturgutschutzes unter Vernetzung der Behörden und zeigt, wie wichtig es ist, archäologische Funde der Öffentlichkeit und der Forschung zugänglich zu machen.

Kunst im Wandel: Eine Drehscheibenterrine aus Mahndorf

21.03.2025

von Mara Romoth-Oldag (Schulpraktikantin)

Das aus Nordgallien, dem heutigen Nordfrankreich stammende Tongefäß, die abgebildete Drehscheibenterrine, wurde in den späten 1930er Jahren bei einer Ausgrabung eines Gräberfeldes in Mahndorf gefunden. Auf dem eingravierten gestrichelten Rand ist ein Fries mit drei Hirschen und einem Eber (der so aussieht wie die Wildschweine in Asterix und Obelix) zu erkennen. Von einem weiteren Tier sind nur bruchstückhafte Fragmente erhalten. Vielleicht handelt es sich um eine Jagdszene.
Das Fundstückstück ist rund und 25,5 cm groß und stammt aus dem 3. Jahrhundert n. Chr.
Die Römer im besetzten Gallien beeinflussten die Einheimischen künstlerisch sowie handwerklich. Die Terrine wurde aus diesem Grund nach den fortschrittlichen Methoden dieser Zeit auf der Töpferscheibe gefertigt.

Auch entlang des Rheins gab es im 3. Jahrhundert den Einfluss der römischen Kultur. In der Mitte des 3. Jahrhundert traten bemerkbare Veränderungen in der Kunst auf. Die Stile entwickelten sich weiter, da die Germanen zunehmend auf Gebiete des römischen Territoriums übergriffen. Dies führte zu einem kulturellen Austausch mit dem Römischen Reich. Durch die Kombination aus germanischen und römischen Kunstelementen entstanden einzigartige Formen, was auch an den sogenannten Hemmoorer Eimern gut zu erkennen ist. Die schlichten Ritzzeichnungen auf diesen Gefäßen erreichen zwar nicht die Feinheit griechischer oder römischer Werke, zeugen jedoch von einer eigenen, unverkennbaren Ausdruckskraft.
Ähnliche Tierdarstellungen gibt es sowohl auf römischen Metallgefäßen, als auch schon sehr viel früher, z.B. als steinzeitliche Wandmalerei in Höhlen. Sie alle erzählen scheinbar echte Geschichten.

Ein SPD Unterschlupf in Bremen Neustadt? Funde aus dem 2. Weltkrieg

21.02.2025

von Paul Frey (Schulpraktikant)

Am 18.05.1940 ab 00:36 warfen englische Flugzeuge völlig überraschend für die Bevölkerung Bomben über Bremen ab. Es sollte der erste von vielen weiteren Luftangriffen der Alliierten über Deutschland und der Stadt Bremen sein. Insgesamt fanden 173 Luftangriffe in Bremen statt, die 3852 Menschen das Leben kostete und bis zum Kriegsende rund zwei Drittel der Stadt zerstörten. Auch der Stadtteil Neustadt war betroffen. Dort fanden im Jahr 2015 aufgrund eines bevorstehenden Parkplatzbaus Grabungen durch die Bremer Landesarchäologie statt.

Ausgrabungsfläche, kurz unter dem Straßenpflaster, im Hintergrund befindet sich eine stark begfahrene Straße
Abb. 2: Grabungsfläche mit Fundort der Objekte (rot eingekreist)

Alte Karten zeigen, dass die dort bombardierten Häuser noch nicht besonders alt waren. Mitte des 19. Jahrhunderts war dieses Gebiet noch in fester Hand der Natur. Die an dieser Stelle ursprünglichen Häuser wurden zwischen 1861 und dem frühen 20. Jahrhundert gebaut. Dies belegen mehrere historische Karten. Im Zuge der Ausgrabung in der Nähe des Bahnhofs direkt neben der Straße Friesenwerder (Abb. 1) wurden Mauerreste aufgedeckt, ein Teil der früheren Bebauung eines dreieckigen Häuserblocks. Keinen Meter unter der Straßenkante befanden sich die Mauern eines Kellers, der teilweise heute noch unter dem Friesenwerder liegt (Abb. 2).

stark vergangene Funde: Plakette von A. Bebel, verbranntes Buch, Geldkassette, Tonpfeife, Tischbeine mit Tischplatte, Nachttopf
Abb. 3: Die Fundsituation - 1) Plakette von A. Bebel, 2) verbranntes Buch, 3) Geldkassette, 4) Tonpfeife, 5) Tischbeine mit Tischplatte, 6) Nachttopf

Im Anschluss konnten hier, in einer Zimmerecke einige Funde gemacht werden (Abb. 3). Eine Marmorplatte und zwei Tischbeine lassen (Abb. 3.5) darauf schließen, dass sich in einer Kellerecke ein Schreibtisch befunden hat. Unter diesem stand vermutlich ein weißer Nachttopf (Abb. 3.6), wie sich aus Scherben erschließen ließ, die man zusammensetzen konnte. Auch eine Geldkassette (Abb. 3.3) konnte freigelegt werden, dessen möglicher Inhalt allerdings ein Rätsel blieb. Münzen konnten nicht gefunden werden, aber es ist durchaus denkbar, dass dies als ein Aufbewahrungsort für wichtige Papiere diente, welche allerdings, falls es sie gegeben haben sollte, nicht erhalten waren. Zudem konnte der Kopf einer Tonpfeife (Abb. 3.4) entdeckt werden, wodurch klar wird, dass es sich bei dem Bewohner dieses Hauses vermutlich um einen Raucher gehandelt hat. Auch wenige Reste eines Buches (Abb. 3.2) wurden entdeckt. Eine Erhaltung war aufgrund der verheerenden Spuren von Feuer nicht mehr möglich, aber dennoch konnte durch das Erkennen einzelner Wörter noch eine Bestimmung der Literatur stattfinden. Es handelte sich dabei um ein Magazin des Unternehmens Westermann. Diese Monatshefte richteten sich an das normale Bürgertum, wobei Kunst, Kultur, Naturwissenschaft, Geographie sowie das Leben im allgemeinen eine Rolle spielten.

eine Hand hält im Vordergrund eine grün korrodierte Plakette mit dem Gesicht von August Bebel darauf
Abb. 4: Plakette von August Bebel

Der wahrscheinlich interessanteste und informativste Fund war allerdings noch ein anderer. Innerhalb der Kellermauern, gepaart mit den übrigen Fundstücken, ließ sich eine grüne Plakette (Abb. 3.1, ) entdecken. Auf ihr steht „A. BEBEL“ und es ist das Porträt eines Mannes im Anzug, umgeben von Pflanzenkränzen zu sehen. Dieser Mann ist August Bebel, der zwischen 1840 und 1913 lebte und ein sozialistischer deutscher Politiker war. August Bebel war einer der Begründer der deutschen Sozialdemokratie und war an der Vereinigung der heutigen SPD beteiligt. Es ist also zu vermuten, dass der Bewohner des bombardierten Hauses ein Anhänger oder sogar eventuell ein Parteimitglied der SPD war. Somit war die Plakette eine Art Symbol für Unterstützung und Verehrung der SPD und für August Bebel. Da die SPD den Nazis feindselig gegenüberstand, kann es sein, dass der Keller ein Unterschlupf und eine Art Rückzugsort für seinen Bewohner war, um politischer Verfolgung und einer möglichen Deportation aus dem Weg zu gehen, wie sie vielen Nazi-kritischen Stimmen drohte. Die SPD war damals die einzige Partei, welche im Reichstag gegen das Ermächtigungsgesetzt gestimmt hatte und in dessen Folge sie auch verboten wurde. Daraufhin mussten SPD Politiker und Anhänger mit Verfolgung, Haft, Deportation und Mord rechnen, da die Nazis keinerlei kritische Stimmen zulassen wollten. Gerade deswegen versteckten sich viele dieser Menschen und der Fundort im Keller macht aufgrund dieser Tatsache durchaus Sinn. Es wirkt so, als ob der Bewohner seinen eigenen kleinen Lebensraum in einem kleinen Kellerzimmer geschaffen hat.
Trotz dieser Maßnahmen musste der Bewohner vielleicht sein Leben lassen, wenn er sich während der Bombardierung in seinem Haus aufgehalten haben sollte. Eine genaue Personenzuordnung erfolgte bisher noch nicht, allerdings wäre dies mithilfe von Adressbüchern, historischen Karten und eventuell einem SPD Parteibuch der damaligen Zeit durchaus möglich

Rochen im Horst

30.08.2024

Hautzahnfragment eines Nagelrochens (Raja clavata) vom Hohen Horst in Kirchhuchting; 1: äußere Seite; 2: innere Seite

von Hans Christian Küchelmann

Bei einer Feldbegehung der Fundstelle Hoher Horst in Kirchhuchting (Fundstelle 4-8/Kirchhuchting) im Jahr 2014 fiel dem Kollegen Vitali Friesen ein kleines, aber ungewöhnlich geformtes Fundstück auf, das er aufgrund der „Durchbohrung“ zunächst für eine Perle hielt (Abb. 1). Bei der Durchsicht und Inventarisierung von Altfunden gelangte dieses Objekt nun wieder auf seinen Tisch. Da ihm eine tierische Herkunft möglich schien, bat er mich einen Blick darauf zu werfen und bewahrte diese kleine Überraschung damit davor unbeachtet im Magazin zu verschwinden.

Bei dem Fund handelt es sich um ein Fragment eines Hautzahns eines Rochens, genauer gesagt um einen Hautzahn von der Unterseite eines Nagelrochens (Raja clavata), einen sogenannten „buckler". Der Zahn selbst ist an seiner Basis abgebrochen. Die Öffnung an der im Körperinneren gelegenen Rückseite weist keine Spuren von Bearbeitung auf und ist natürlichen Ursprungs.

Der Nagelrochen ist ein reiner Meeresfisch und lebt in Bodennähe in Küstengewässern mit schlammigem, sandigem oder kiesigem Grund in Tiefen von 10-60 m (maximale dokumentierte Tiefe 620 m). Er toleriert niedrige Salinität und hält sich vor Allem im Frühjahr auch in flachem Wasser unter 10 m Tiefe auf. Der Nagelrochen wird in der Regel um die 85 cm groß, die maximale dokumentierte Totallänge liegt bei 139 cm. Er kommt an allen Küsten Europas und Westafrikas vor, ist aber im Bereich der deutschen Nordseeküste eher selten (FishBase; Heessen et al. 2015, 113-116).

Ein Hautzahn eines Nagelrochens ist also für eine über 60 km Luftlinie von der Küste entfernt gelegene Fundstelle ein ausgesprochen ungewöhnliches Fundobjekt. Leider erlaubt dieser Oberflächenfund keine Datierung. Die Frage wann, wie und warum dieser Hautzahn auf den Hohen Horst gelangt ist, muss damit leider ungeklärt bleiben.

Literatur:
Gravendeel, Ronald / van Neer, Wim / Brinkhuizen, Dick Constantijne (2002): An Identification Key for Dermal Denticles of Rajidae from the North Sea. – International Journal of Osteoarchaeology 12, 420-441
Heessen, Henk J. L. / Daan, Niels / Ellis, Jim R. (2015): Fish atlas of the Celtic Sea, North Sea, and Baltic Sea, Wageningen